Prof. Dr. Aris Christidis 

Fachgebiet Praktische Informatik


 

An das MeinProf.de-Team 
Juniter/Company Consulting Team e.V.
c/o TU Berlin

dozenten@meinprof.de


Betr.: www.meinprof.de/uni/kurs/7668 (Stand: 05.03.2006
dokumentiert auch hier)

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

daß das Internet neben der technischen auch eine kulturelle Revolution auslösen würde – darauf waren wir alle gefaßt; daß es mancherorts zu einer Kulturrevolution chinesischen Zuschnitts kommen könnte, hatten wir zu oft verdrängt. Ihre Website korrigiert diesen Fehler sehr anschaulich.

Vorab zum Gegenstand dieses Schreibens:
Ich bin der von Ihnen gewissenhaft und minutiös ermittelte, absolute FLOP-Professor meiner Hochschule, knapp gefolgt von zwei Kollegen, denen ich ohnehin eine bessere Note als mir zugedacht hätte – freilich auf einem anderen Niveau. Insofern dachte ich, eine Rückmeldung aus dem „Off“, wo die „krassen“ unter Ihren Untersuchungsobjekten weilen, könnte auch Ihrer geneigten Aufmerksamkeit würdig sein:

Ich befinde mich in der glücklichen Lage, auf repräsentative, anonyme, stark differenzierte, in meiner Abwesenheit erhobene und später auf freiwilliger Basis diskutierte Evaluationen meines Fachbereichs zurückgreifen zu können. Das war nicht immer so – aber immerhin in den letzten ca. 3 Jahren und damit um ein Jahr länger, als Ihre Statistik zum o.a. Stand abdeckte. Über diese Zeit (letzte Befragung war vor ein paar Wochen) blieb meine Bewertung etwa gleich. An den Evaluationen hatte sich jeweils ca. 1/3 der Gesamtpopulation beteiligt – auch die bei Ihnen gemeldeten Studierenden, oder wenigstens die unter ihnen real Existierenden (die ich über ihre Kommentare, Sprachgebrauch und Bewertungsmuster identifizieren kann). 
Jede Umrechnung der multidimensionalen Erhebung meiner Dienststelle auf Ihre 8 bescheidenen Kriterien (mit dem akademisch relevanten Kriterium "Spaß" als einzigem Vorbehalt) würde mich „satt“ in den von Ihnen grün markierten Bereich setzen. Wenn ich unterstelle, daß die bei Ihnen aufgeführten 7 Bewertungen tatsächlich 7 individuellen Stellungnahmen entstammen, dann müßte jeder dieser 7 „Kronzeugen“ sich nochmal mit je 15-20 Pseudonymen einloggen, um eine Aussagekraft gleichen Ranges zu erzielen. 

Alternativ können Sie sich überlegen, was Sie tun würden, wenn ich Ihnen nur einen Teil der spontanen Emails meiner Studierenden weiterleiten würde: In ihnen kommt zum Ausdruck teils Lob für meine Materialien, teils Scham für das Nichtbestehen meiner Klausur trotz meiner Hilfestellungen (machmal scherzhaft-liebevoll als „Service“ bezeichnet) – oder gar der Wunsch, den eigenen Studien-Schwerpunkt auf meine Themen umzulenken, damit Diplomarbeiten von mir betreut werden können. Auf die gehäuft vorkommende Vokabel „Fairneß“ brauche ich mich nicht gesondert zu beziehen, sie ist sogar bei Ihnen meine beste Note (3,0). Mündliche (d.h.: die Mehrheit der) Kommentare lasse ich „faineßhalber“ (sic!) weg. Würden Sie „händisch“ die Emails in Ihre Listen integrieren wollen, müßten Sie bald ein „grüneres“ Grün für Ihre Bestnote ersinnen – auch wenn Ihre 7 Weisen mit ihren Einträgen weiterhin im Pool blieben (und nicht etwa als „Ausreißer“ durch Ihre ausgetüftelte Software automatisch herausgenommen würden). 

An dieser Stelle könnte der vorliegende Brief enden mit dem freundlichen Hinweis, daß Sie (falls an realitätsnahen Ergebnissen interessiert) sich jeweils um hochschulinterne Erhebungen (z.B. über die Fachschaften) hätten bemühen können; Sie hätten auch einen (evtl. unseren) detaillierten Fragenkatalog, einen überprüfbaren Bewertungsschlüssel mit reproduzierbaren Rahmenbedingungen, eine nachvollziehbare Behandlung von Ausreißern etc. verwenden können. 

Doch – unbeabsichtigt einen Spitzenplatz einzunehmen – das reizt zur Untersuchung „der näheren Umstände“, möglichst noch bevor man diese Position verliert. (Natürlich kann ich mir als Techniker ausrechnen, daß ich mich mit weniger Aufwand und abzählbaren Mausklicks auf Ihrer Website zum Top-Prof. der Republik katapultieren könnte. Warum ich dies nicht tue, kann ich Ihnen nicht verständlich machen, denn ich habe einen anderen Anspruch als Sie – und immerhin weisen Sie mir eine „Verständlichkeit“ der Güte „4,9“ nach.)

Als jemand, der während seines technischen Studiums und der (ebenso technischen) Promotion über ein Jahrzehnt lang freiwillig mehr als ein Soziologie-Studium inkl. Feldforschung absolviert hat, kann ich nur Aussagen akzeptieren, die entweder überprüfbar- repräsentativ, oder aber namentlich- persönlich entstanden sind. Sonst darf Kalkül unterstellt werden; dann wird die angekündigte „Plattform“ zum „Instrument“ – z.B. für machtpolitische „Spielchen“.
Was will uns der Autor damit sagen?

Bei der Suche nach Gründen für mein „Versagen“ überflog ich (ähnlich wie meine Kollegen, die mich darauf ansprachen) erstmal schnell die mitgelieferten Kommentare. Als erstes fällt dabei auf, daß ich „sehr veraltete Kamellen“ vermittle: Die waren schon Grund genug für Entwicklungsabteilungen von Konzernen aus unserer Umgebung, eigene Ingenieure freizustellen, damit sie just diese meine Vorlesung besuchen konnten – was einen von ihnen schließlich zu dem unaufgefordert abgegebenen Prädikat: „Spannend!“ veranlaßte. Dies, kombiniert mit den Aussagen: (i) „die Vermittlung des Stoffes ist sehr verwirrend und pseudo philosophisch“ und (ii) unsereins mache sich zu wenig Gedanken „um eine Umstrukturierung seiner Vorlesung“, könnte zu dem Schluß führen, ich hätte mich zu sehr auf die Erwachsenenbildung konzentriert und den anwesenden (jugendlicheren) Gemütern nicht vermittelt, daß meine Veranstaltung gerade erst zum vierten Mal angeboten wurde: Die Studierenden betraten also keine Bruchbude, sondern allenfalls einen Rohbau – nicht „Umstrukturierung“, sondern „Struktur“ kommt hier nach und nach hinein. Aber so undifferenziert denken keine 7 unserer Studierenden. Was könnte sie so enttäuscht haben?

Die übersichtliche Resonanz von „MeinProf.de“ bei den ca. 300 Studierenden, die irgendeine der Ausbaustufen meiner Vorlesung bisher besucht haben (expressis verbis: die geringe Anzahl von 7 „Betroffenen“) erlaubt eine schnelle Ermittlung meines schlechtesten Ergebnisses: Hiernach erhielt ich für meine Arbeit vor einigen Monaten, im SS 05, eine recht symmetrische Benotung mit fast lauter „5ern“, die immerhin an den Rändern von „4ern“ gesäumt werden: „Warum nicht?“ denkt sicherlich, wer nicht weiß, daß meine Veranstaltung noch nie in einem Sommersemester angeboten wurde. Wie „normal“ ist es, daß engagierte Leute, die das Unheil dieser Welt per Mausklick bekämpfen wollen, nicht wissen, ob sie vor wenigen Monaten oder vor gut einem Jahr von diesem Unheil heimgesucht wurden? 
Da erkannte ich (evtl. auch andere), wie vorschnell ich nach fachlichen Gründen in Ihrer sachdienlichen Zusammenstellung gesucht hatte – stand doch da gleich zu Beginn eine Äußerung, die gewiß weder unmittelbar beleidigend, noch blasphemisch ist: „Leider scheint Herr Christidis momentan mehr Wert auf seine politische Karriere zu legen (Bundestagskandidat für die Linkspartei)“. Aha! Haben wir doch ertappt! Nur: wen?

Warum soll ich, ein (zeit Lebens parteiloser) Kandidat einer oppositionellen Formation (d.h.: ohne jegliche Erwartung einer politischen „Vergütung“ in Form von Ämtern o.ä.) lange nach dem Ende eines verschlafenen Wahlkampfs am 18.09.05 mit meiner „politischen Karriere“ beschäftigt sein? Wie könnte eine solche aussehen? Warum soll mich nicht eher der Hauptgrund beschäftigen, der mich zur Annahme einer Kandidatur bewogen hatte, und der weiterhin aktuell ist: 
Seit meiner Amtsannahme sehe ich mich wiederholten Angriffen unserer Hochschulverwaltung ausgesetzt. So wurde ich mit erfundenen Beschuldigungen konfrontiert (die bei Anfrage meines Anwalts dann doch keine waren) – oder mir wurden Veranstaltungsräume verwehrt (was aber nach Verstreichen des jeweiligen Termins sich als nicht beabsichtigt herausstellte). Am zeitlichen Anfang dieser Probleme stand meine „Anmaßung“, 1999 den Kosovo-Krieg öffentlich als völkerrechtswidrig zu bezeichnen. Diese Aussage bekam zwar die Zustimmung der deutschen Gerichte, führte auch zur Verleihung des Preises der Humanistischen Union für bürgerrechtliches Engagement; aber sie hätte beinahe mein berufliches Aus bedeutet, wäre es nach dem Wunsch unserer Verwaltung gegangen, die (sinngemäß:) nur staatstreue Diener die eigenen nennen wollte. 
Ein Zusammenhang zwischen meinem Engagement gegen die Beteiligung dieses Staates an Kriegsverbrechen (z.B. in Varvarin) einerseits und aktuellen Mißverständnissen auf unserem Campus andererseits sind kaum nachzuweisen; ein Zusammenhang mit meiner Bewertung bei
MeinProf.de ist vermutlich gar nicht gegeben. 

Behellige ich Sie also unnötig mit meiner Geschichte? Ich finde: Nein! Denn ich erwarte von Ihren akademisch versierten Beraterinnen und Beratern, daß sie erkennen, wie ihre Einrichtung zu einem „unglücklichen Gebrauch“ geradezu einlädt! Ich vermisse die Grenzen zwischen Ihrer "Erhebung" und einem anrüchigen "Gefälligkeitsgutachten". Ich erkenne nicht, warum nicht weitere meiner angeblichen "sommerlichen" Teilnehmer sich plötzlich melden sollten. Aber wie viele fiktive Vorlesungen und Studierende wollen Sie bundesweit zulassen? Oder wollen Sie vielleicht nun die "Kleinigkeit" bereinigen, indem Sie Einträge mit "SS" auf "WS" ("händisch") ändern? Was veranlaßt Angehörige und Absolventen einer gar nicht dazu prädestinierten TU im fernen Osten der Republik, möglichen politisch motivierten Entgleisungen eine „Plattform“ (alias „Instrument“) zu bieten? 

Und schließlich: Wer soll davon profitieren, wenn hinter deutschen Professoren getuschelt wird, sie seien vermeintliche FLOPs oder TOPs, ermittelt 

  • in Vorlesungen, die z.T. nie stattgefunden haben,

  • (ermittelt) aufgrund von Stichproben, die schon wegen der geringen (geschweige denn fiktiven) Beteiligung niemals eine Erwähnung hätten finden dürfen (Wo erfassen Sie den Unterschied zwischen „Mathe I“, in der inzwischen der 20.000ste Besucher mit stets denselben Worten begrüßt wurde, und dem „Doktoranden-Seminar“, das einmalig mit 4 Teilnehmern eingerichtet wird? War da was mit "Signifikanz"?)

  • (ermittelt) in Abwesenheit jeglicher statistischen Auswertung und Deutung (Wo unterscheidet sich der umstrittene vom mittelmäßigen Dozenten, wenn beide auf mittlere Durchschnittsnoten kommen? Gab es nicht so was wie „Streuung“, in Mathe I? Was stellt einen Ausreißer dar? Worin besteht die Plausibilitätskontrolle?),

  • (ermittelt) mit einem Verfahren, bei dem Sie selbst anerkennen, es kann (Zitat aus Ihren "Informationen für Dozenten":) „durch Ihre Studierenden oder Dritte manipuliert werden“,

  • (ermittelt) ohne jede Rücksprache mit jenen Instanzen, die seit Jahren vor Ort verantwortlich und kritisch an solchen Untersuchungen arbeiten;

  • (ermittelt) über ein Medium, das eine für Sie unüberprüfbare Teilmenge der Gesamtpopulation erreicht (meine TeilnehmerInnen z.B. verlassen die Hochschule kurz nach der Klausur – erst zur Diplomarbeit, dann in den Beruf)

– dies nur, um „aus dem Stegreif“ ein paar Ihrer eklatanten Verstöße gegen jedes Gebot einer redlichen Erhebung von noch so bescheidenem Anspruch zu benennen. Insofern kann ich Ihr Angebot, später irgendwann "Passwortlisten" zu verteilen, nicht gebrauchen: Ich verfüge weder über die Arbeitskraft, noch über die Skrupellosigkeit, um Manipulationen „zuwiderzuklicken“ (bzw., um sie über die Paßwort-Verteilung selbst hebeizuführen.).

Auch ich habe vor 40 Jahren Schülerzeitungen von ähnlichem Niveau mitverfaßt – meist anläßlich von Schulausflügen: Wir verlasen sie im Bus, lachten herzlich über unsere Lehrer und beendeten damit unser jeweiliges Projekt. Ihr Projekt läuft aber Gefahr, ernst genommen zu werden, mit Risiken und Nebenwirkungen, mit denen nicht Sie oder ich, sondern -gar nicht fiktive- jetzige und künftige Studierende unserer Hochschulen fertigwerden müssen, die bei Ihrer Sponsorenschaft und Ansiedlung („c/o TU Hauptstadt – Wow!“) ernsthafte Aussagen erwarten – um dann Ihre zu bekommen. Danach könnten (und werden, möglicherweise) Werdegänge geplant. Und nicht bei allen meiner Kollegen werden die Verhältnisse so eindeutig widerlegbar sein wie bei mir (wenigstens z.Z.). 

Was das Ärgerliche dabei ist: Gegen Ihren Unfug muß unnötige Richtigstellungsarbeit geleistet werden! 

Das muß ich zwar genauso tun, wenn meine jungen HörerInnen, den Marktbotschaften von Bill Gates u.a. erlegen, es nicht einsehen (Zitat eines meiner tatsächlichen Hörer in Ihrer Erhebung:) sich „für veralteten Stoff an den Schreibtisch zu setzen und dafür zu lernen.“ Dort habe ich allerdings gegen Kapitalinteressen anzukämpfen, denen ein schnell von mir entlassener und später ausgetauschter „Mausklick-Informatiker“ lieber ist als ein kritischer Geist, der Einblick in die Technologie hat und zu Projekten (vgl. „Toll Collect“) unbequeme Fragen stellen könnte. Welchen Interessen stehen aber Sie zu Diensten? Wollten Sie evtl. nur dem Heiligen Denunzius ein Denkmal setzen und auf seine Wunder warten, frei nach dem Motto: „MyProf – People & Programs / MeinProf – Pöbel und Pogrome“?

Wie Sie es auch immer anstellen: Die vor Ort vorgenommenen, repräsentativen Befragungen können Sie zentral kritisieren – aber niemals übertreffen: Ihre zentralistischen Konzepte sind schon mit der früher Ihre TU umgebenden Mauer untergegangen, heute zeugen sie nur von Inkompetenz, die ich Ihnen hiermit vorwerfe, zu Lasten unschuldiger, argloser Studierender – und in einem Ausmaß, das sogar dem hinterletzten „Flop-Prof“ Gießens, nämlich mir, erlaubt, Ihnen die o.a. Vorhaltungen zu machen, die Sie nicht einmal mit den größten „Top-Profs“ der Republik werden entkräften können.

Ob Ihr Tun auch international Schaden anrichtet (über unnötig gefährdete Kooperationen, Projektgelder o.ä.), werden Sie sicherlich vor mir in Erfahrung bringen: Nicht zufällig gibt es überall auf der (Erwachsenen-) Welt nur sog. „Positiv-Listen“ – was ich persönlich hier jedoch bedauert hätte, weil ich vermutlich ohne Ihren „FLOP“-Pranger nie mein „Ranking“ bei Ihnen erfragt hätte. 

Ihrer feinfühlig distinguierten Stellungnahme sehne ich mich entgegen und verbleibe 
mit freundlichen Grüßen

(gez. Prof. Dr.-Ing. A. Christidis)

 

P.S.: Dies ist keine vertrauliche Mitteilung: Sie können mit ihr nach Belieben hausieren gehen – auch zur Desavouierung meiner „Systemprogrammierung“, die im kommenden SS 06 wieder einmal turnusmäßig nicht angeboten wird; auf, daß Ihre geschätzte Plausibilitätskontrolle sofort darauf anspringt...